Prostatakarzinom: Risiko ist bei Transfrauen niedriger als bei Cis-Männern, aber höher als erwartet

Ein Mensch im Labor untersucht etwas unter einem Mikroskop
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Bei Transgenderpersonen besteht eine Diskrepanz zwischen dem angeborenen und dem erlebten Geschlecht. Transfrauen waren bei Geburt männlich. Entscheiden sie sich zur Angleichung an das weibliche Geschlecht inklusive chirurgischer Eingriffe, bleibt die Prostata erhalten, um Kontinenzprobleme und Nervenschädigungen zu vermeiden. Grundsätzlich können daher die gleichen Prostataerkrankungen auftreten wie bei Cis-Männern. Zur Häufigkeit von Prostatakarzinomen bei Transfrauen gab es bislang kaum Daten.

Nun sind Ergebnisse einer großen Fallserie zum Prostatakarzinom bei Transfrauen aus dem Veterans-Affairs- (VA-)Gesundheitsregister der USA publiziert worden. Zwischen 2000 und 2022 gab es bei 449 Transgenderpersonen die Diagnose eines Prostatakarzinoms, davon bei 155 Transfrauen. Zum Diagnosezeitpunkt betrug das Durchschnittsalter 61 Jahre und der PSA-Wert durchschnittlich 6,8 ng/ml.

116 der 155 am Tumor erkrankten Transfrauen hatten keine Östrogene zur Geschlechtsangleichung angewendet (74,8 %), 17 hatten vor der Karzinomdiagnose eine Östrogentherapie abgeschlossen und 22 nahmen zum Zeitpunkt der Entdeckung des Tumors Hormone. Bei lediglich 3 Transfrauen war eine Orchiektomie erfolgt.

Alle Tumoren wurden im Rahmen von Screenings entdeckt. Nach bioptischem Grading waren 43 % Gruppe-1-Tumoren, 23 % Gruppe 2, 9 % Gruppe 3 und die übrigen 25 % Gruppe 4 oder 5. Ein T1-Stadium lag bei 45 % der Tumore vor und ein T2-Stadium bei 55 %. Höhere T-Stadien gab es nicht.

Fazit: Die Häufigkeit von Prostatakarzinomen bei Transfrauen wird auf Basis dieser großen Fallserie auf 14/10 000 pro Jahr geschätzt. Das seien weniger als bei Cis-Männern (33/10 000 pro Jahr), aber deutlich mehr als erwartet, so das Studienteam. Dabei hatten diejenigen Transfrauen, die zum Zeitpunkt der Diagnose Östrogene erhielten, die aggressivsten Tumoren (Grading-Gruppe 5), was entweder auf eine verzögerte Diagnose oder auf die Selektion von hormontherapieresistenten (Androgendeprivation) Tumorklonen hindeuten könne. Transfrauen solle dieselbe Krebsfrüherkennung angeboten werden wie Cis-Männern.

 

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Nik-Ahd F, De Hoedt A, Butler C, et al.: Prostate cancer in transgender women in the veterans affairs health system, 20002022. JAMA 2023; doi:10.1001/jama.2023.6028.