2.227: Höchststand bei drogenbedingten Todesfällen – Handeln statt Mitleid!

Drogenkonsumraum
© DAH | Bild: Jan N. Nelles

DAH: Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte von Drogengebraucher*innen ernst nehmen und mehr Ressourcen für Prävention und Schadensminderung und Behandlung bereitstellen.

Im Jahr 2023 registrierte das Bundeskriminalamt 2.277 drogenbedingte Todesfälle, doppelt so viele wie vor zehn Jahren, 12 Prozent mehr als 2022 und insgesamt so viele wie nie zuvor. Die tatsächliche Zahl kann noch höher liegen, denn laut dem Bundesdrogenbeauftragten gibt es zu wenige toxikologische Gutachten und Obduktionen.

Die bisherige Drogenpolitik ist gescheitert

„Die bisherige Drogenpolitik ist gescheitert, das wissen wir schon lange“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug der Deutschen Aidshilfe (DAH). „Für die erwiesenermaßen wirksamen Hilfsangebote, die wir im Laufe der Jahre erprobt und etabliert haben, wird nicht genug Geld bereitgestellt oder es fehlt der politische Wille zur Umsetzung auf Landesebene, oft aufgrund moralischer oder persönlicher Vorbehalte von Entscheider*innen. Dabei nehmen die Probleme und Gefahren stetig zu, zum Beispiel durch die immer stärkere Verbreitung synthetischer Drogen“, so Schäffer weiter. „Das ist eine eklatante Verletzung des Menschenrechts auf Gesundheit.“

Bund, Länder und Kommunen sind in der Pflicht

Schäffer sieht Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen in der Pflicht, für eine auskömmliche Finanzierung der Drogenhilfe und der Prävention zu sorgen. Aber auch darüber hinaus gebe es viel zu tun: „Der Bund muss den Besitz geringer Mengen zum Eigenkonsum entkriminalisieren, und zwar für alle Drogen. Die Kriminalisierung führt dazu, dass Menschen im Verborgenen gefährliche Substanzen konsumieren und ein Hilfebedarf erst spät artikuliert wird.“ Außerdem müsse der Bund alle unnötigen Hürden für Behandlungs- und Hilfsangebote abschaffen: „Die Behandlung sollte in fachärztlichen Leitlinien und nicht in sachfremden Gesetzen und Verordnungen geregelt werden“, so der DAH-Drogenreferent.

Auf Ebene der Bundesländer müssten wieder Landes-Drogenbeauftragte ernannt werden, und die Drogenpolitik müsse auch auf oberer Regierungs- und Verwaltungsebene feste Ansprechpartner*innen haben, fordert Schäffer weiter. Zudem gelte es Lücken im Hilfesystem zu schließen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Drogenkonsumräumen oder Drugchecking-Projekten. „Hilfe darf nicht vom Wohnort abhängig sein“, so Dirk Schäffer.

Auf kommunaler Ebene schließlich müsse die Drogen- und Aidshilfe entsprechend den steigenden Herausforderungen gefördert werden. Dies schließe zielgruppenspezifische Präventionsprojekte und auch die Selbsthilfe drogengebrauchender Menschen ein.

Mittel gegen den Drogentod sind bekannt

Folgende Maßnahmen verhindern unmittelbar Drogentodesfälle:

  • Drogenkonsumräume – dort steht im Notfall medizinische Hilfe bereit. Einige Bundesländer weigern sich nach wie vor, diese Einrichtungen gesetzlich zu ermöglichen.
  • Notfallmedikament Naloxon: Das Nasenspray ist leicht einsetzbar und hebt Überdosierungen mit Heroin und anderen Opioiden auf. Es muss allen potenziellen Ersthelfer*innen – von Polizist*innen bis zu Konsument*innen – zur Verfügung stehen; Pilotprojekte zur Verschreibung haben den Weg geebnet.
  • Drugchecking: Die Untersuchung von Substanzen auf Inhaltsstoffe und Reinheitsgehalt vor dem Konsum, idealerweise vor Ort, rettet Leben. Sie ermöglicht Beratung und erhöht den Wissensstand von Menschen, die in unterschiedlichen Settings Substanzen konsumieren, in Sachen Schadensminimierung. Bisher ist Deutschland über Pilotprojekte noch kaum hinausgekommen.
  • Regulierte Abgabe von Substanzen, zum Beispiel verstärkt Diamorphin (pharmazeutisch erzeugtes Heroin) über das Medizinsystem: Kein Schwarzmarkt, keine Verelendung, stattdessen Konsum in geschütztem Rahmen.

Darüber hinaus gilt es, medizinische Forschung zur Substitutionsbehandlung bei Konsum anderer Substanzen als Heroin zu initiieren (etwa Amphetamine und Kokain).

Weiterführende Informationen:

 

Pressemitteilung des Bundesdrogenbeauftragten vom 29.5.2024